Glasfaserausbau in Deutschland: Strategischer Überbau bremst Wachstumspotenziale
Rund 44 Millionen Haushalte, Unternehmen und öffentliche Institutionen sollen im Rahmen der Gigabitstrategie bis zum Jahr 2030 in Deutschland Zugang zu Glasfaser erhalten. Ein sinnvolles, wenn auch ambitioniertes Ziel, denn schon jetzt hemmt der unfaire Wettbewerb um die Marktdominanz den Aufbau einer zukunftsfähigen digitalen Infrastruktur. Damit Verbraucherinnen und Verbraucher nicht länger die Leidtragenden sind, braucht es dringend einen klaren regulatorischen Rahmen für den Telekommunikationsmarkt und die notwendige Planungssicherheit.
Nur mit durchgängigen Gigabit-Glasfaser-Netzen wird Deutschland seine Stellung als attraktiver Wirtschaftsstandort sichern und die Transformation zur Wissensgesellschaft meistern. Die unmittelbare Anbindung an ein leistungsfähiges Glasfasernetz ist dabei entscheidende Voraussetzung für soziale, wirtschaftliche und gesellschaftliche Teilhabe – egal, ob in der Stadt oder auf dem Land. Aber: Stand jetzt hat Deutschland hier ein massives Defizit. Im Vergleich mit anderen OECD-Staaten belegte Deutschland im vergangenen Jahr Platz 35 des weltweiten Länderrankings und rangiert damit beim Fortschritt des Glasfaserausbaus auf dem drittletzten Platz.
Etablierte Unternehmen bremsen massiv Ausbau
Der Telekommunikationsmarkt hat in den letzten Jahren eine starke Dynamik erfahren, im Besonderen durch neue, privatwirtschaftlich investierende Akteure. Etablierte Unternehmen behindern weiterhin mit strategisch motiviertem Doppelausbau, dass die Versorgung mit Glasfaser zügig und effektiv vorangeht. Damit die Motivation aller Beteiligten beim Glasfaserausbau hoch bleibt, müssen sich Investitionen lohnen. Wie eine aktuelle Studie im Auftrag der „Initiative Pro Glasfaser“ zeigt, bremst jedoch ein Übervertrieb, strategischer Doppelaubau und punktuelles Rosinenpicken die Ausbauvorhaben der Marktteilnehmer bereits erheblich ein.
Doppelausbau verstärkt Stadt-Land-Gefälle
Nur mit privaten Investitionen lässt sich der dringend nötige Glasfaserbreitbandausbau zügig vorantreiben und das infrastrukturelle Gefälle abbauen. Gerade auf dem Land gibt es viele Wettbewerber mit eigenwirtschaftlichen Investitionsplänen, doch auch hier nehmen die strategischen Manöver des Monopolisten zu und dämmen die Pläne zunehmend ein. Damit diese auch künftig attraktiv sind und ein effizienter Wettbewerb möglich ist, braucht es einen diskriminierungsfreien Zugang zum Glasfasernetz für alle Anbieter per Open-Access.
Fairer Wettbewerb braucht klare Regeln
In der Gigabitstrategie ist das Open-Access-Prinzip zwar als Zielvorgabe formuliert, in der Realität werden gewinnbringende Teilgebiete jedoch doppelt an Glasfasernetze angeschlossen, andere Gebiete dagegen überhaupt nicht. Das verschwendet Ressourcen und bremst den flächendeckenden FTTH-Ausbau. Deshalb gilt es das Rosinenpicken der marktbeherrschenden Unternehmen unverzüglich zu unterbinden. Gefragt ist ein klarer Rechtsrahmen sowie einheitliche Inanspruchnahme von Open-Access (per L2BSA) [1] für einen fairen Wettbewerb, mit dem die Kosten für den Glasfaserausbau wieder kalkulierbar werden und Deutschland digital anschlussfähig bleibt.
Glasfaserausbau gemeinsam vorantreiben
Was es jetzt braucht, ist ein radikales Umdenken. Der Wettbewerbsbegriff muss neu gedacht werden, damit perspektivisch ein Aus- statt Überbau im Sinne der Verbraucherinnen und Verbraucher stattfindet. Nur durch einen gemeinschaftlichen Ausbau aller Marktteilnehmer können die Gigabitziele erreicht werden und Steuermittel und langwierige Fördermittelverfahren vermieden werden. Und auch die Bürgerinnen und Bürger müssen durch alle Marktteilnemer, die Leitmedien wie auch die Politik positiv zum Thema Glasfaser sensibilisiert und mit ins Boot geholt werden, damit sie von den Möglichkeiten profitieren und Potenziale nicht länger ungenutzt bleiben.
[1] Basis Layer 2 Bitstream Access-Ebene (L2BSA) ist ein Zugriffsstandard, der es Telekommunikationsunternehmen ermöglicht, Bandbreite auf der Ebene der Bitübertragungsschicht (Layer 2) bereitzustellen und zu teilen. So kann die Bereitstellung von Breitbanddiensten durch Dritte auf vorhandenen Netzwerken erfolgen.
Autor: Soeren Wendler, Geschäftsführer CSO – Marketing & Vertrieb, Deutsche GigaNetz GmbH